Geschichte & Architektur

Stiftsgründung

Slawen siedeln ab dem 7. Jahrhundert in den Elbauen und gründen das Fischerdorf Jerichow. Ostfränkische Könige versuchen seit dem 10. Jahrhundert ihren Herrschaftsbereich nach Osten auszuweiten. Nach langwierigen, auch kriegerischen Auseinandersetzungen werden die Slawen besiegt und König Konrad III. bestätigt 1144 die Gründung des Prämonstratenser-Stifts Jerichow aus Besitzungen der Grafen von Stade, stattet es mit Grundbesitz aus und unterstellt es juristisch dem Bistum Havelberg. Es diente als einer der ersten Missionsstützpunkte östlich der Elbe und führte zur Kolonisierung und Urbarmachung des Landes. Chorherren aus dem Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg gründen die erste Niederlassung im Jerichower Ortskern vor der slawischen Burg, die heute jedoch nicht mehr erhalten ist. Durch den „Tumult des Markttreibens“ wird der Standort 1148 an die jetzige Stelle verlegt und ein Jahr später mit dem Bau begonnen.

Baugeschichte

1149 beginnt die Bautätigkeit zunächst mit der dreischiffigen, kreuzförmigen Basilika ohne Westtürme. Parallel dazu schreitet der Bau des Ostflügels der Klausur mit Kapitelsaal und Dormitorium voran. Um 1200 folgt der Einbau einer zweischiffigen Krypta mit Hohem Chor im Ostteil der Kirche bei gleichzeitiger Verlängerung des Kirchenschiffes nach Westen und Errichtung der unteren Turmgeschosse. Auch das Winterrefektorium im Südflügel und das Amtshaus im Westflügel der Klausur entstehen in diesem Zeitabschnitt. Erst gegen 1220 schließt sich der Innenhof mit Errichtung des Sommerrefektoriums und des Kreuzganges. Ab 1250 werden die Westtürme im gotischen Stil fortgeführt. Auch zahlreiche Wirtschaftsgebäude wurden errichtet, sind heute jedoch nicht mehr erhalten.

Die monumentale Klarheit und Zweckmäßigkeit der Architektur des 12. Jahrhunderts beeindruckt noch heute von außen wie von innen. Der durch den roten Backstein wirkende Innenraum der Kirche vermittelt ein einzigartiges Raumerlebnis romanischer Sakralarchitektur. Mächtige Rundpfeiler tragen die Arkaden des Mittelschiffes. Über der Krypta mit ihren reich gestalteten Kapitellen erhebt sich der Chorraum mit dem Hochaltar. Auch in den Klausurräumen künden prächtige Kapitelle von der Meisterschaft mittelalterlicher Steinmetzkunst. Der Klosterhof lädt zu Ruhe und Besinnung ein. Vom umgebenden Kreuzgang sind nur der Süd- und Westflügel erhalten geblieben. Am südlichen Seitenschiff der Kirche sind die Spuren des im 16. Jahrhunderts abgebrochenen Nordflügels zu erkennen. Der Ostflügel wurde 1968-70 rekonstruiert. 1853-57 lässt König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen unter der Leitung von Ferdinand von Quast die Stiftskirche umfassend restaurieren.

Wiege des norddeutschen Backsteinbaus

Fehlende Natursteinvorkommen östlich der Elbe und bedeutende kirchliche Bauaufgaben durch Christianisierungsbestrebungen begünstigen ab dem 12. Jahrhundert die Backsteinbauweise im norddeutschen Raum. Reiche Lehmvorkommen in der Elbniederung boten beste Voraussetzungen für eine rasche Verbreitung der Technik aus Norditalien. Nach dem aufwendigen Aufbereiten, Formen und Trocknen der Rohlinge erfolgte der Brand in Feldbrandöfen. Im Zuge des Klosterbaus entstehen im 12. und 13. Jahrhundert im Elb-Havel-Winkel mehr als 30 Backsteinkirchen. Ihre schlichte, künstlerische Gestaltung beschränkt sich auf Friese, Lisenen und Portalgewände. In der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts steht der Backsteinbau noch ganz unter dem Einfluss des traditionellen Natursteinbaus. So wurden beispielsweise Sonderformate nach dem Brand durch Behauen und Schleifen per Hand hergestellt. Die Backsteinbaukunst erlebt im Jerichower Land in der Zeit der Spätromanik ihren ersten künstlerischen Höhepunkt und erobert sich in der Zeit der Gotik den gesamten Raum östlich der Elbe.

Säkularisation

Im Zuge der Reformation und damit einhergehenden Plünderungen erfolgt 1552 die Auflösung des Stifts. Seitdem dienen die Klausurgebäude zum Teil noch bis zum 21. Jahrhundert verschiedenen wirtschaftlichen Zwecken. Die Kirche wurde seitdem durchgehend von evangelischen Kirchengemeinden genutzt. Der Versuch einer Wiederbesetzung des Stifts durch die Prämonstratenser während des 30-jährigen Krieges scheitert, denn 1631 verwüsteten schwedische und kaiserliche Truppen Stadt und Kloster, wobei mittelalterliches Inventar völlig verloren geht. Im 17. Jahrhundert entsteht die kurfürstlich-brandenburgische, ab 1701 königlich-preußische Domäne. Die nach dem 1. Weltkrieg zu Staatsgut erklärte Domäne wird noch bis 1945 von Pächtern betrieben, im gleichen Jahr zum Provinzialgut, ab 1949 zum volkseigenen Gut (VEG) erklärt.

Gegenwart

Mit der politischen Wende 1990 werden die Eigentumsfragen zunächst provisorisch geregelt. Weitgehende Unklarheiten führen nach langjährigen Bemühungen im Jahr 2004 zur Gründung der Stiftung Kloster Jerichow. Die Stifter sind das Land Sachsen-Anhalt, die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, der Landkreis Jerichower Land, die Stadt Jerichow, die evangelische Kirchengemeinde Jerichow und der Förderverein Erhaltet Kloster Jerichow e. V. Zum 1. Januar 2022 wurde die Stiftung Kloster Jerichow aufgelöst und der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt zugelegt.

Die Anlage des Klosters Jerichow ist heute in sich geschlossen. Im Süd-Osten ist noch in großen Bereichen die mittelalterliche Klostermauer erhalten, im Nord-Westen runden neuzeitliche Ställe und Scheunen das Areal ab. Im Zentrum der Gesamtanlage liegen die romanische Stiftskirche und die Klausur, wobei die Räume im Erdgeschoss noch in ihrer mittelalterlichen Ausprägung erfahrbar sind. Der Klostergarten ist nach mittelalterlichem Vorbild angelegt und lädt mit seinen Flach- und Hochbeeten zum Verweilen ein.